Ba111od Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon 44 mm: Der Praxistest

Uhrenkauf mit Verzögerung

Zweifellos gehören die Tourbillons von Thomas Baillod und seiner Marke Ba111od zu den preislich günstigsten, die es gegenwärtig aus eidgenössischer Produktion zu kaufen gibt. Das mittlerweile beachtliche Spektrum offerierter Varianten umfasst auch das auf 111 Stück limitierte Ba111od Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon 44 mm mit durchbrochen ausgeführtem Uhrwerk. Diese Armbanduhr konnte ich im Rahmen eines Gesprächs mit Thomas Baillod während der Münchner Inhorgenta 2024 näher in Ausgenschein nehmen. Die damit verknüpfte Geschichte überzeugte mich. Also schritt ich zur Tat und erwarb ein Exemplar, um es nach der Lieferung ausgiebig für den Uhrenkosmos zu testen.

Die Lieferung per FedEx aus der Schweiz ging im Grunde genommen sehr zügig über die Bühne. Zu Wartezeiten kam es jedoch beim Zoll. Obwohl die deutsche Mehrwertsteuer ausweislich der Rechnung vorab schon entrichtet war, dauerte das Einfuhrprozedere ganze zwei Wochen. Der Grund: Die Beamten konnten oder mochten nicht glauben, dass es ein waschechtes Schweizer Tourbillon zum Preis von damals gut 7.000 Euro gibt. Und sie unterstellten, dass der Preis zum Zweck der Steuerersparnis absichtlich zu niedrig angesetzt sei.

Den Gordischen Knoten durchschlug letztlich ein Blick auf die Ba111od-Homepage, wo sich der in der Rechnung ausgewiesene Preis bestätigt. Das ist nun gut vier Monate her. In dieser Zeit habe ich das Ba111od Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon 44 mm zwar nicht durchgängig, aber doch mit schöner Regelmäßigkeit getragen. Und meine derzeitige Auffassung zu dieser Armbanduhr, auf die ich nicht nur einmal angesprochen wurde, lautet: Empfehlenswert. Nachdem 44 Millimeter Durchmesser nicht jedermanns Sache ist, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es auch 40 Millimeter messende Gehäuseschalen gibt.

Ba111od Geschäftsmodell

Bevor ich näher auf die positiven persönlichen Trageerfahrungen eingehe, möchte ich kurz das Ba111od-Geschäftsmodell eingehen. Ursprünglich hatte der 53-jährige Thomas Baillod mit der Herstellung von Armbanduhren nichts am Hut. Vielmehr trachtete der Vertriebsprofi mit Erfahrungen bei Victorinox, Maurice Lacroix und Louis Erard danach, den Uhrengfachhandel von einem neuartigen Konzept überzeugen. Dieses sollte den Bezug zum Kunden stärken. Aus einschlägiger Erfahrung war dem agilen Westschweizer bewusst geworden, dass kleinere Uhrenmarken den mächtigen Giganten im ewigen Wettbewerb über kurz oder lang unterliegen. Aber zum Überleben sind Gewinne unerlässlich.

Die Achillesferse, betonte Thomas Baillod im Messegespräch, ist in den Kalkulationen zu suchen. Gemäß seiner Auffassung stimmt die Gewichtung nicht. Gemessen an der Entwicklung und Fertigung der Erzeugnisse fließt ein deutlich zu hoher Kostenanteil in Marketing, Werbung sowie den traditionsgemäß mehrstufigen Vertrieb mit Agenten und Einzelhändlern.

Klar ist für Thomas Baillod aber auch, dass mechanische Zeitmesser zur Steigerung ihrer Attraktivität schlichtweg niedrigere Publikumspreise brauchen. Weil er mit seinen diesbezüglichen Ideen bei zahlreichen Uhrenherstellern auf taube Ohren stieß, musste zur Validierung des Systems etwas Eigenes her. Das waren und sind Armbanduhren mit der Signatur Ba111od.

Holpriger Start

Als 2019  das zusammen mit externen Designern und Fabrikanten Entwickelte an den Start ging, waren es vor allem auch wegen des fast schon unglaublichen Preisniveaus sehr schnell ein echtes Gesprächsthema. Die optisch wie technisch aus dem Rahmen des Üblichen fallende Chapter 1 mit gegenläufig oszillierenden Unruhn in einem durchbrochen konstruierten Automatikwerk kostete ab Schweiz nur 370 Euro. Hinzu gesellte sich die jeweilige Einfuhrumsatzsteuer.

Daraus, dass er die eidgenössische Konstruktion im Fernen Osten realisieren ließ, machte Thomas keinen Hehl. Aber die chinesische Provenienz rief sofort und durchaus berechtigt auch Kritiker auf den Plan. Das könne man zur Kostensenkung schließlich auch. Nüchtern betrachtet sei die Kooperation mit Asiaten eher kontraproduktiv als wirklich hilfreich.

Also begab sich Thomas Baillod für das dritte Ba111od-Kapitel auf die Suche nach Zulieferern im eigenen Land. Und er wurde tatsächlich fündig. Beim Chapter 3, einer Automatik-Armbanduhr mit ausgeschnittenem Zifferblatt, durch das sich die Unruh und Teile des Räderwerks zeigen, stammt das Basiskaliber von Soprod. Auch die übrigen Komponenten liefern eidgenössische Hersteller zu, Diese Uhr lässt sich für etwas mehr als 800 Euro erwerben. Allerdings stieß auch dieser Zeitmesser nicht auf einhellige Begeisterung. Den Blick ins Herz, sprich auf den oszillierenden Gangregler, boten Schweizer Mitbewerber schon seit längerer Zeit.

Kapitel 4

Den Durchbruch brachte besagtes Kapitel 4 mit Minutentourbillon. Dessen Verwirklichung gelang mit Hilfe von Olivier Mory. 2016 tat der zweifache Finalist des Wettbewerbs Meilleur Ouvrier de France und Gewinner des Breitling-Preises den Schritt in die berufliche Selbständigkeit. In La Chaux-de-Fonds gründete der Franzose sein Skill Atelier und dazu die Firma BCP Tourbillons.

Dort entstehen Produkte, von denen Mory schon immer geträumt hatte. Und dazu gehört ein Handaufzugswerk mit Tourbillon und 105 Stunden Gangautonomie. Die durchbrochen ausgeführte Version im Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon nennt sich bei Ba111od schlicht und einfach Kaliber BA.01.

Stündlich 21.600 Halbschwingungen vollzieht die Masselot-Unruh im Käfig mit charakteristisch geschwungenen Speichen. Ein Rücker zu Modifikation der Unruhlänge ist demnach entbehrlich. Als vorderseitiges Lager dient eine geschwungene Brücke. Bedingt durch die spezielle Konstruktion gestattet das Uhrwerk tiefe Blicke in sein Inneres. Und das bereitet wirklich Freude bei jedem Blick aufs Zifferblatt.

Natürlich ist die Schwärzung des Uhrwerks und des Titangehäuses Geschmacksache. Mit persönlich gefällt sie sehr gut. Positiv empfinde ich auch die Tatsache, dass Ba111od das Werk im Gehäuse um 30 Bogengrade nach rechts dreht. Auf diese Weise drückt die griffige Krone beim Tagen der Uhr nicht in den Handrücken.

Überzeugend wirken auch die haptischen Qualitäten der tiefschwarz DLC-beschichteten Schale aus Titan Grade 5. Am Handgelenk trägt das Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon 11,5 Millimeter auf. Somit schlüpft es problemlos unter die Hemdmanschette. Einen Sprung ins kühle Nass bei sommerlicher Hitze nimmt diese Armbanduhr grundsätzlich nicht übel. Ihre Wasserdichte reicht bis zu fünf bar Drück.

Einen wichtigen Beitrag zum bemerkenswerten Tragekomfort leistet das in Italien fabrizierte Armband aus geschmeidigem Saffiano-Rindsleder, Seine unkompliziert handhabbare Edelstahl-Faltschließe trägt eine logischer Weise ebenfalls schwarze PVD-Beschichtung. Weil ich persönlich dieses Tourbillon auch gelegentlich bei Outdoor-Aktivitäten trage, habe ich es unverzüglich mit einem Kautschukband ausgestattet. Dieses steigert in meinen Augen die Alltagstauglichkeit beträchtlich.

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Lust auf mehr

Beflügelt durch meine positiven Erfahrungen habe ich mit bei Ba111od nun auch noch die CHPTR-Δ.4 [AGIL] Limited Edition mit Δ-förmig rotierendem Stundenzeiger gekauft. Aufsehen ist auch mit dieser ebenfalls schwarzen Automatik-Armbanduhr gewiss. Hier steuert Olivier Mory das vorderseitige Modul mit deltaförmiger Stundenindikation bei. Bei „4“, „8“ und „12“ verhallt der mit Leuchtmasse versehene Punkt rund 20 Minuten, bevor er sich weiterbewegt. Den Antrieb liefert ein Automatikwerk von Soprod.

In nur vier Jahren haben Thomas Baillod und sein Team unglaublich viel gelernt und große Fortschritte erzielt. Dazu kann ich nur gratulieren. Noch ein Wort zum aktuellen Preis des Kapitel 4.4 Eclipse Tourbillon: Inzwischen beträgt er 8.100 Euro, was sich angesichts des Gebotenen durchaus rechtfertigen lässt.

Und noch etwas Neues gibt es zu verkünden: Bei seinem ursprünglichen Vertriebskonzept setzte Thomas Baillod primär auf den Endkunden als so genannten Afluendor. Er ist Ambassador, Influencer und Vendor zugleich. Durch die in den Zeitmesser integrierte NFC-Technologie sind Aktivitäten in der Ba111od-Community via Smartphone möglich. App laden, einrichten, Smartphone gegen das bombierte Saphirglas mit doppelter Anti-Reflex-Beschichtung halten und los geht’s.

Fortan bindet die Marke auch ausgesuchte Fachhändler in ihr Geschäftsmodell ein. In München wird es Juwelier Hilscher sein. Sie zeigen die Ba111od Uhren, beraten und verkaufen sie zu den im Internet ausgeschriebenen Preisen. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgen anschließend in gewohnter Weise durch Ba111od.